In dem Rechtsstreit Allhoff-Cramer ./. Volkswagen AG (01 O 199/21) wurde am Freitag ein Urteil verkündet. Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Detmold hat die Klage abgewiesen.
Zum Hintergrund
Der Kläger, Vollerwerbslandwirt und Eigentümer eines landwirtschaftlichen Bio-Betriebes in Detmold (Ackerbau und Viehzucht) mit dazugehörigen Flächen (Ackerland, Grünland, Wald), hat die Volkswagen AG (Wolfsburg) auf Unterlassung der „übermäßigen“ Emission von Kohlendioxyd in Anspruch genommen mit der Begründung, die Beklagte beeinträchtige ihn durch die klimabezogenen Folgen ihrer Geschäftstätigkeit in zentralen Rechtsgütern wie Eigentum, Gesundheit und dem von ihm so bezeichneten Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit. Der Kläger hat insbesondere begehrt,
- dass die Beklagte (inkl. ihrer vollkonsolidierten Tochterunternehmen und/oder Gemeinschaftsunternehmen, an denen sie beteiligt ist) mit Ablauf des Jahres 2029 keine mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mehr in den Verkehr bringen darf, dass im Zeitraum von 2022 bis 2029 nur noch maximal 17 Prozent der von ihr in den Verkehr gebrachten Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet sein dürfen und dass die Beklagte ihre jährlichen, aggregierten CO2-Immissionen im Jahre 2030 gegenüber 2018 um mindestens 65 Prozent absenken muss, hilfsweise um mindestens 45 Prozent gegenüber 2019 oder um einen vom Gericht bestimmten Reduktionsbeitrag;
- dass die Beklagte es zu unterlassen hat, Treibhausgase zu verursachen, soweit diese anteilig über einem CO2-Budget liegen, das die Einhaltung der Erderwärmungsgrenze von 1,5°C mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit nach dem Stand der Wissenschaft sicherstellt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Zur Entscheidung
Die Kammer hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger kann sein Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren weder auf § 1004 BGB noch auf eine andere Anspruchsgrundlage stützen. Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB zielt auf die Beseitigung einer gegenwärtigen und der aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Abwehr einer künftigen Beeinträchtigung ab; beide Ansprüche sind nicht auf eine bestimmte Handlung gerichtet. Vielmehr bleibt es grundsätzlich dem Schuldner überlassen, wie er eine schon eingetretene Beeinträchtigung beseitigt oder eine ernsthaft drohende Beeinträchtigung verhindert. Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass allein eine konkrete Maßnahme die Beeinträchtigung beseitigen bzw. verhindern kann, oder andere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht in Betracht kommen.
Da vorliegend gerade nicht feststeht, dass die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen seines Eigentums und/oder die von ihm besorgten weiteren Beeinträchtigungen seines Eigentums, seiner Gesundheit und/oder des von ihm so bezeichneten Rechts auf treibhausgasbezogene Freiheit nur mit den von ihm geforderten Maßnahmen beseitigt bzw. verhindert werden können, kann er die Ergreifung solcher konkreten Maßnahmen von der Beklagten nicht verlangen. Der Beklagten kann nicht vorgeschrieben werden, bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen nur auf eine ganz bestimmte Antriebstechnologie zu setzen, da es neben batteriebetriebenen Elektromotoren unstreitig noch weitere ernsthaft in Betracht kommende Alternativen zu diesel- und benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren gibt, so etwa den wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotor oder Brennstoffzellen. Dass bis zum Ablauf des Jahres 2029 Biokraftstoffe, E-Fuels, Wasserstoff und/oder Brennstoffzellen nicht in solchen Mengen zur Verfügung stehen, dass sie zusätzlich zu den batteriebetriebenen Elektromotoren in nennenswertem Maße dazu beitragen könnten, diesel- und benzinbetriebene Verbrennungsmotoren zu ersetzen, steht nicht fest. Gleiches gilt für die Frage, ob und inwieweit die genannten alternativen Antriebstechnologien wirtschaftlich sein werden.
Einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch (Antrag zu 2., s.o.) aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Kläger bereits nicht schlüssig dargetan. Zum einen hat der Kläger nicht ausgeführt, welche wesentlichen Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen im Sinne des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB gerade ihn in einer um mehr als 1,5°C erwärmten Welt treffen sollen, die über diejenigen hinausgehen, die seinem Vorbringen nach bereits jetzt eingetreten sind und daher den „neuen Normalzustand“ darstellen. Zum anderen kann sich der Kläger nicht auf ein vom ihm so bezeichnetes Recht auf triebhausgasbezogene Freiheit berufen. Ein solches Recht müsste zugunsten des Inhabers eine absolute, gegenüber jedermann wirkende Rechtspositionen begründen, die es ihm erlaubt, andere davon auszuschließen. Dies ist nicht der Fall.
Die Frage, ob Rechtsgüter des Klägers durch die Geschäftstätigkeit der Beklagten bereits beeinträchtigt sind oder ob eine solche Beeinträchtigung ernsthaft droht, bedurfte vor diesem Hintergrund ebenso wenig einer Entscheidung durch die Kammer wie die Frage, ob der Kläger entsprechende Beeinträchtigungen nach § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden hätte.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann binnen eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberlandesgericht Hamm einlegen.
Textquelle: Landgericht Detmold