50 Soldaten haben seit der offiziellen Aufstellung der Panzerbrigade 21 im März 1959 in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben verloren. Ob bei Autounfällen auf dem Weg zur Dienststelle, einem Manöverunglück auf dem Truppenübungsplatz oder nach einem Gefecht im Auslandseinsatz: der Soldatenberuf birgt viele Risiken.
Verliert ein Soldat oder eine Soldatin das Leben, so sind die Einheitsführerinnen und Einheitsführer oder höhere Vorgesetzte mit dem Überbringen der Todesnachricht an die Angehörigen beauftragt. Für die Offiziere und Stabsoffiziere eine traurige Pflicht, die aber untrennbar mit der jeweiligen Führungsposition verbunden ist. Um den Verantwortlichen ein besseres Gespür für diese Belastungssituation und größtmögliche Handlungssicherheit zu geben, führte die Stabsabteilung Truppenpsychologie der Panzerbrigade 21 eine hochintensive Weiterbildung zum Thema „Überbringen einer Todesnachricht“ durch.
Und die teilnehmenden Einheitsführer und Bataillonskommandeure dürften ob der sehr realistischen Umsetzung der Schulung durch die Organisatoren zeitweise keinen Unterschied zu einem echten Szenario aus dem Dienstalltag wahrgenommen haben. Denn in den insgesamt zwei Wochen der Weiterbildung nahm sich das zivil-militärische Team um Oberregierungsrat Sven Schuchhardt für jeden Teilnehmer einen kompletten Vor- oder Nachmittag Zeit, um die überwiegend standardisierten Abläufe durchzuspielen und auszuwerten.
Vorgeschaltet war eine intensive Unterweisung zur Vermittlung der theoretischen Grundlagen. Mit dabei: Oberstleutnant Stephan Meister, Kommandeur des Panzerpionierbataillons 1 aus Holzminden. Der einsatzerfahrene Stabsoffizier beschreibt seine Erkenntnisse und Erfahrungen während des Übungsdurchganges so: als „Die Ausbildung hat durchaus den Charakter einer Grenzerfahrung.“ Meister wurde mit der Ausgangslage konfrontiert, in der ein 30-jähriger Soldat als Angehöriger eines Infanteriebataillons während einer Patrouillenfahrt im Auslandseinsatz ums Leben gekommen ist. Nun galt es, dass gesamte Ablaufschema abzuarbeiten.
Beginnend bei der Spruchaufnahme für schwerwiegende Ereignisse im Einsatzland, die ausgewertet, verifiziert und weitergegeben werden muss, bis hin zum telefonischen Meldeweg. Anschließend steht dem Pionier-Kommandeur noch die schwerste Aufgabe bevor: Das Überbringen der Todesnachricht an die Lebensgefährtin des Soldaten. Die „Freundin“, dargestellt von der Profi-Schauspielerin Yvonne Woelke, ist in der Übungslage die einzige Hinterbliebene des Soldaten. Zusatzinformationen erhielt Bataillonskommandeur Meister durch die Ausbildungsorganisatoren auf der Fahrt zum Wohnort der Lebensgefährtin, einer angemieteten Ferienwohnung in der Nähe der Kaserne.
Die Informationen galt es in der Kürze der fünfminütigen Anfahrt zu verarbeiten und in die Gesprächsführung einfließen zu lassen. Doch bereits die Situation an der Haustür der Lebensgefährtin zeigte deutlich, wie schwer die Aufgabe für Stephan Meister werden würde. Welche wichtige Rolle in solchen Situationen die Unterstützung durch einen Militärpfarrer spielt, machte der Bataillonskommandeur in der späteren Auswertung deutlich: „Ich weiß nicht, ob wir ohne Pfarrer Thomas Nuxoll nicht jetzt noch dort stehen würden.“
Denn die „Lebensgefährtin“ erzeugte an der Tür als auch im weiteren Verlauf mit ihrem überaus stoischen Verhalten, einer Mischung aus minutenlangem Schweigen, Fragen zur Ausrüstung der Soldaten sowie Sinnhaftigkeit von Auslandseinsätzen ein überaus realistisches Szenario. Oberregierungsrat Schuchhardt war nach dem Übungsdurchgang von Meisters Leistung mehr als überzeugt: „Oberstleutnant Meister hat die Aufgabe hervorragend gelöst“. Dem Ausbildungsleiter und seinem Team der Truppenpsychologie war nach Ende der inhaltlich und organisatorisch fordernden Weiterbildung die Freude über die gelungene Veranstaltung anzumerken.
„Die würdevolle und reibungslose Überbringung der Todesnachricht durch den Dienstherren ist eine der schwierigsten, aber auch die selbstverständlichste Führungsaufgabe, die militärische Vorgesetzte in einer solchen Ausnahmesituation zu erfüllen haben. Ein derart emotionaler und sensibler Auftrag ist auch für versierte Disziplinarvorgesetzte belastend und bewegt sich außerhalb ihres üblichen Erfahrungshorizonts.
Dementsprechend aber auch vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Risiken rückte das Thema schnell in den Fokus des Ausbildungsinteresses der Brigadeführung, die uns schlussendlich mit der Umsetzung beauftragte“, so Schuchhardt. Unterstützt wurde der erfahrene Psychologe von seinen Kolleginnen Geraldine Emig und Tanja Hipke, die viel Zeit und Arbeit in die Vorbereitung der Weiterbildung investiert hatten. Für Stephan Meister hat sich der Weg nach Augustdorf in jedem Fall gelohnt, fühlt sich der Kommandeur der Holzmindener Pioniere nun „gut vorbereitet“ auf eine der fordernsten Aufgaben eines Vorgesetzten, dem Überbringen einer Todesnachricht. (nu)