Mit den AUGUSTDORFER NACHRICHTEN sprach Bürgermeister Thomas Katzer exklusiv über die aktuellen Flüchtlingszahlen und wie sich die Situation weiter entwickelt.
AUGUSTDORFER NACHRICHTEN: Herr Katzer, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Es sind jetzt einige Tage vergangen, seitdem wir das letzte Mal miteinander gesprochen und auch die ersten Zahlen der Flüchtlinge, die aus der Ukraine kommen, besprochen haben. Wie sieht es denn heute mit der Situation der Flüchtlinge in Augustdorf aus?
Thomas Katzer: Es ist eine große Welle der Hilfsbereitschaft zu erkennen. Wir haben momentan acht Kontakte für Wohnraum. Wir haben zehn Sprachmittler, die sich zur Verfügung stellen. Ich bin von dieser Welle der Hilfsbereitschaft begeistert. Von vielen Seiten erhalte ich Fragen, wie man helfen kann, oder was für Sachspenden wo abgeben werden können. Aber das ist noch nicht im Fluss. Wir sind dazu auch mit der AWO und dem DRK in Kontakt, damit diese die Arbeit übernehmen, zum Beispiel, um die Sachspenden entgegenzunehmen und dann auch wiederum zu verteilen.
Wir haben momentan 111 Kriegsflüchtlinge in Augustdorf, die uns bekannt sind. Dazu kommt sicherlich auch noch eine gewisse Anzahl, von denen wir noch nichts wissen. Aber auch diese 111 gemeldeten Personen sind schon eine große Zahl für Augustdorf und diese Kriegsflüchtlinge kommen aus 37 Bedarfsgemeinschaften.
AN: Bedarfsgemeinschaften heißt Familien?
Katzer: Genau, das ist zum Beispiel eine Mutter mit ihrem Kind, oder Oma und Kind. Aber wir haben auch eine Familie, die aus insgesamt 14 Personen besteht.
AN: Wo kann denn eine Familie mit 14 Personen im Augenblick überhaupt untergebracht werden?
Katzer: Die 111 Personen sind privat untergebracht. Aber wir bereiten noch viele Unterbringungsmöglichkeiten vor. Wir rechnen damit, dass es auf Dauer in den Privathaushalten nicht leistbar ist.
AN: Können Sie denn etwas zu den Zahlen innerhalb des Kreises Lippe sagen? Wie steht Augustdorf dar?
Katzer: Wir haben morgen (Donnerstag) erst eine nächste Onlinekonferenz bezüglich der Situation. Ich kann momentan über den Bereich Lippe nicht viel sagen. Ich weiß, dass es Kommunen gibt, die keine Kriegsflüchtlinge haben, aber eben auch andere Kommunen oder Städte mit vielen Flüchtlingen.
AN: Wie kommt das denn überhaupt, dass die Leute hier nach Augustdorf kommen? Haben die Personen hier Verwandte oder Bekannte? Werden die von Privatpersonen hierhin geholt?
Katzer: Überwiegend kommt es daher, dass hier Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, dass also gebürtige Ukrainer in Augustdorf wohnhaft geworden sind und diese hier ansässigen Familien dann Angehörige aus der weitläufigen Familiengeschichte nach Hause holen.
AN: Sie haben gesagt, die Kriegsflüchtlinge seien privat hier untergebracht. Werden denn jetzt noch Personen gesucht, die diese aufnehmen können? Und wenn ja, warum?
Katzer: Ja, also wir suchen selbstverständlich weiterhin. Wir haben mittlerweile acht Kontakte knüpfen können mit Bürgern, die Wohnraum zur Verfügung stellen. Ich bin dankbar für jeden Kontakt, den ich habe und für jeden Quadratmeter Wohnraum, der der Gemeinde gemeldet wird. Wenn jetzt eine Familie zwei, drei, vier oder fünf Personen aufgenommen hat, kann das über eine gewisse Zeit gutgehen, aber vielleicht bröckelt es nach zwei, drei, Wochen dann doch irgendwo in dem Zusammenleben. Und dann ist es vielleicht für alle Beteiligten besser, wenn die Kriegsflüchtlinge, die im Moment privat aufgenommen worden sind, dann doch auch in eigenen Wohneinheiten leben können.
AN: Die Gemeinde Augustdorf hat in einer der letzten Sitzung beschlossen, Geld zur Verfügung zu stellen, beziehungsweise zurückzuhalten, um Wohnraum für Flüchtlinge bereit zu halten. Ist dieser Wohnraum schon angemietet worden?
Katzer: Noch nicht. Wir haben aber gute Kontakte geknüpft. Wir versuchen, einen gesamten Block anzubieten. Also ein Block bedeutet, dass hier vier Familien untergebracht werden können. Dieser Zustand der anmietbaren Wohnungen und die Anzahl der Wohnungen soll uns im Laufe dieser Woche übermittelt werden, und dann können wir diese auch anbieten.
AN: Wie sehen für die Verwaltung die Schritte in den nächsten Tagen aus? Ist es ein Navigieren auf Sicht, wie am Anfang der Coronazeit?
Katzer: Das ist eine gute Beschreibung. Ja, wir arbeiten in verschiedenen Richtungen, um hier den Kriegsflüchtlingen helfen zu können. Zum einen gehen wir an die Öffentlichkeit und bitten darum, uns verfügbaren Wohnraum zu melden. Auf der anderen Seite nehmen wir auch Kontakt mit Institutionen oder Vereinen auf, wie zum Beispiel das Heidehaus oder der GNS, um zu eruieren, ob eine Möglichkeit besteht, auch diese Räumlichkeiten zu nutzen. Die GNS hätte uns zum Beispiel gerne geholfen, die Verfügbarkeiten der Räumlichkeiten waren aber nicht gegeben.
AN: An welche Adresse können sich denn diejenigen wenden, wenn sie zum Beispiel Wohnraum zur Verfügung stellen wollen?
Katzer: Alle Anfragen dazu sollten am besten per E Mail an ukraine@augustdorf.de gerichtet werden. Natürlich stehen wir allen auch telefonisch zu diesem Thema in der Zeit montags bis freitags von 8.00 bis 9.00 Uhr und 11.00 bis 12.00 Uhr unter der Nummer 05237/9710–28 und 05237/9710–29 zur Verfügung.
AN: Herr Katzer, herzlichen Dank für das Interview.
Katzer: Gern geschehen.