Die gestrige Berichterstattung über den Missbrauchsprozess erhitzte die Gemüter. Neben zahlreichen Kommentaren und Leserbriefen, die Unverständnis über die Höhe der Gefängnisstrafe ausdrückten, wurde auch immer wieder die Frage in den Raum geworfen, ob explizit über das Geschehene berichtet werden sollte. Dabei gab es zahlreiche Befürworter, aber auch andere Stimmen, die mahnten, dass man zum Schutz des Kindes nicht ins Detail gehen sollte.
Die Redaktion hat es sich mit der Beantwortung dieser Frage bereits im Vorfeld des Prozesses nicht leicht gemacht. So haben wir uns die Frage gestellt, ob wir aus emotionalen Gründen, also weil einem die Familie und das Opfer leid tut, nicht im Detail berichten sollen. Vielleicht möchte die Familie aber auch, dass detailliert berichtet wird, damit die zahlreichen Vermutungen, was wirklich passiert ist, aufhört? Aus diesem Grund haben wir uns im Vorfeld mit Experten für Presserecht aber auch mit Opferverbänden, Richtern und mit Psychologen beraten.
Wir haben uns nach den Gesprächen, und das lesen Sie auch in der heutigen Ausgabe, letztendlich dazu entschieden, all das zu berichten, was im öffentlichen Teil des Prozesses auch gesagt wurde. Warum? In den vergangenen Wochen überschlugen sich die Vermutungen, was genau mit dem Opfer passiert war. Dem wollen wir mit einer sachlichen und detaillierten Berichterstattung Einhalt gebieten. Wir haben bewusst auch nach dem Urteil nicht den Namen des Täters genannt, auch wenn das presserechtlich erlaubt gewesen wäre, da wir das Opfer schützen möchten.
Die Experten haben uns dazu geraten, detailliert über den Fall zu berichten. Unsere Auffassung ist es, dass wir nicht einer schrecklichen Situation begegnen können, in dem wir die schlimmen Details verschweigen, sondern, dass wir die Situation am besten meistern, wenn wir uns dieser, mit all ihren grausamen Details stellen. Um Wachsamkeit zu erzeugen aber auch, um einem Kinderschänder zu zeigen, dass all seine Taten öffentlich werden.
Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, die Artikel zu dem Prozess hinter eine Bezahlschranke zu stellen, weil wir nicht mit dem Leid des Opfers Geld machen möchten, sondern weil wir jedem die Möglichkeit geben möchten, sich darüber zu informieren, was sich für unvorstellbare Dinge in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zugetragen haben.
Dass auch der heutige Bericht für kontroverse Diskussionen sorgt, ist uns bewusst. Wir sind der festen Auffassungen, dass wir aber als Zeitung auch dann, wenn es weh tut, berichten sollten, in der Hoffnung, dass vielleicht durch die Berichterstattung, eine so schreckliche Tat, einmal weniger geschieht.