Der Prozess am gestrigen Freitag gegen den Kinderschänder von Augustdorf war von vielen mit Spannung erwartet worden. Den Vorsitz im Prozess gegen den 38-jährigen mehrfachen Familienvater führte Richterin Anke Grudda. Sie ist Expertin für Prozesse, bei denen es sich um Kindesmissbrauch dreht; hatte sie doch auch den Vorsitz gegen die Kinderschänder aus Lügde inne. Von zwei Wachleuten wurde der Angeklagte Marco Y. (Name geändert) in den Verhandlungsraum geführt. Ihm wurde vorgeworfen, sechs sexuelle Handlungen an seiner mittlerweile elfjährigen Tochter vollzogen zu haben. Verteidigt wurde Y. durch den Paderborner Rechtsanwalt Andreas Jolmes.
Angefangen habe alles, so der Angeklagte in seiner Einlassung, mit einer Massage, aus der sich dann mehr entwickelte. So wollte Y. unter anderem, dass seine Tochter ihn manuell befriedige. Bei den weiteren vier Taten hat er sie dazu gezwungen, ihn oral zu befriedigen und auch Geschlechtsverkehr zu haben. Der Tatzeitraum beträgt knapp zwei Jahre. Die Taten hatte der Kinderschänder bereits vor Prozessbeginn eingeräumt (die AN berichteten).
Als Grudda den Angeklagten nach seinem Lebenslauf befragt, erfährt die Öffentlichkeit, dass dieser mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen war, mehrere Berufe erlernte, aber nicht beendet hat, unter anderem als Einzelhandelskaufmann oder Maschinenanlagenführer gearbeitet hat, in Leiharbeitsfirmen sein Geld verdingte und immer nur befristete Verträge erhielt. Y. hat elf Geschwister, und ist selbst Vater von sechs Kindern im Alter von sechs bis 17 Jahren.
Mit seiner Frau ist der Kinderschänder seit 2003 verheiratet, hatte aber trotzdem im Jahr 2015 und davor Affären mit Arbeitskolleginnen, besuchte regelmäßig Bordelle, da er sich nach eigenen Angaben „durch mangelnde Häufigkeit und nur monotone Praktiken von seiner Frau nicht befriedigt gefühlt“ habe.
Y. war bereits vor der Verhandlung in Untersuchungshaft; während am Anfang noch Umgang zu seiner Ehefrau bestand, hat diese den Kontakt seit Januar abgebrochen und will sich scheiden lassen. Während des Prozesses betonte der Angeklagte, dass er auf das Sorgerecht des Kindes verzichten werde. Seine Tochter, so machte Grudda deutlich, habe ihre Familie, ihre Freunde, ihre Schule und ihre Heimat verloren „und hat nun in einem anderen Ort Obhut gefunden.“
Auch das Opfer wurde am gestrigen Tag durch die Richterin vernommen. Y. wurde dabei ausgeschlossen, „da die Tochter nicht mit dem Vater konfrontiert werden wollte und Angst hatte, ihn zu sehen“. Außerdem erklärte die Anwältin der Tochter, dass bei Anwesenheit des Vaters wohlmöglich ihre Aussagen nicht ganz wahrheitsgemäß sein würden. Da es sich um die intimen Geschehnisse einer Minderjährigen handelte, wurde auch die Öffentlichkeit für die Dauer der Befragung ausgeschlossen. Grudda unterstrich im Anschluss, dass die Tochter die Taten ihres Vaters bestätigte.
Zu Wort kam auch Dr. Michael Hintersdorf, Experte auf dem Gebiet der forensischen Psychologie. Er stufte das Verhalten des Angeklagten nicht als pädophil ein. „Wer sich an Kindern vergreift, ist nicht grundsätzlich pädophil“, so Hintersdorf. Dies hänge mit der jeweiligen Auslegung eines Falles zusammen. Zwar treffe die grundsätzliche Definition, dass man über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten sich auf Minderjährige fokussiere und mehr von ihnen möchte, zu, „doch das geschah nicht aus dem Grund, dass der Angeklagte generell eine Präferenz für Kinder hat.“ Vielmehr habe es mit seinem Charakter zu tun, dass er sich an seiner Tochter vergriffen habe, „da sie diejenige war, bei der er am nächsten seine Bedürfnisse erfüllen konnte“, so Hintersdorf.
So sei der Angeklagte eher egozentrisch ausgerichtet, um mit nur wenig Aufwand seine Bedürfnisse erfüllen zu wollen. Dies spiegele sich auch in den vielen abgebrochenen Ausbildungen wider. „Die Tatsache, dass er im Gespräch mit mir nicht wusste, wann der Geburtstag seiner Tochter war, also nicht viel Empathie für seine Tochter zeigte, verdeutlicht das“, so der Experte. Hintersdorf unterstrich, dass weder eine psychische Störung noch eine Bewusstseins- oder eine seelische Störung bei dem Angeklagten vorliege.
Im Anschluss an die Beweisaufnahme, forderte Verteidiger Jolmes eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Mit ihrem Urteil ging die Kammer dann über diese Forderung hinaus. Y. wurde wegen sexuellen Missbrauches in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Strafmildernd habe sich sein sofortiges Eingeständnis, sowie die Tatsache, dass er im Gefängnis psychologische Hilfe in Anspruch nimmt, ausgewirkt. Der Kinderschänder nahm das Urteil an und erklärte, auf Rechtsmittel zu verzichten.
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